Montagskreis   1949 - 2015

 

Rückblick

Vortrag von Bernhard Mohr zum 40 -jährigen Bestehen des Montagskreises (1989)

 

A. Einleitung

Vierzig Jahre Montagskreis ein Phänomen, das zu feiern wert ist -  oder hätte  man besser  zur  Tagesordnung übergehen sollen?

Hat der Montagskreis vielleicht eine elitäre Prägung, wie schon geäußert wurde - oder ist es ein ganz gewöhnlicher Stammtisch mit mehr oder weniger gehobenem Niveau?

Oder haben wir es hier mit einer Loge zu tun, die nur ausgewählten Personen den Zutritt gestattet und sich vom restlichen Fußvolk absondert?

Oder ist er gar ein Anhängsel einer politischen Richtung, sprich CDU, früher à la Junge Union, heute mehr rebellischer Seniorenkreis - graue Panther christlicher Prägung

Oder liegt der Akzent mehr auf einer eigenen Art von kath. oder christlichem Verein - etwa als Abspaltung des kath. Männervereins?

Oder ist es einfach ein aus  sich herausgewachsener Freundeskreis, der nichts anderes will, als Freundschaft, Geselligkeit und geistige, kulturelle, politische und religiöse Interessen pflegen?

 

Wenn wir uns schon aufgerafft haben, ein 40-jähriges Bestehen zu feiern, sollte man diesen Fragen einmal auf den Grund gehen und unser Selbstverständnis darlegen.

Ich will dies zumindest versuchen und  einige Gedanken zur Entstehung, Entwicklung und den Aussichten äußern.

 

B Entstehung

Die ursprüngliche Idee hat sich aus der Situation der jungen Generation der Nachkriegszeit entwickelt.

In der Zeit des ,,1000-jährigen Reiches" herangewachsen, mußte diese Generation erfahren, was es heißt, zum Gleichschritt nicht nur bei Massenaufmärschen  sondern  auch im Denken gezwungen zu werden{HJ) .Wir  erlebten - manche recht hautnahe -was es hieß, sich gegen die aufgezwungenen Ideen aufzubäumen, und was mit denen geschah,  die  den Mut hatten - sei es im politischen oder kirchlichen Raum - sich dagegen zu wehren (Fred Joseph, Kaplan Habich).

 

Dazu kam die ungeheuere Not und das Elend, das ein grausamer Krieg mit seinen sinnlosen Zerstörungen mit sich brachte. Die mit dem Leben davon gekommenen jungen Menschen fanden sich in einer hoffnungslosen Trümmerlandschaft wieder, scheinbar ohne Aussicht auf eine bessere Zukunft. Es ging nur noch ums nackte Überleben.

Doch bald setzte sich eine Aufbruchstimmung durch. Man schöpfte wieder Hoffnung. Jetzt hatte man die Chance alles neu zu gestalten und endlich in Freiheit zu leben und zu handeln. Dieser Drang zur Freiheit war eine der Wurzeln, die zur Gründung des MOKREs führten.

Man hatte sich zwar vorher schon in  kath.Jugendgruppen  zu­sammengefunden; eine Zeit, die uns alle ungeheuer prägte. Aber mit dem Älterwerden wollte man sich nicht wieder in Organisationen bevormunden lassen. Schon sollte man wieder in alte Schablonen gepreßt werden, die die neue Freiheit einzuengen versuchten.

 

 

Und so trafen sich Vlctor Mohr . als Initiator, mit einigen Gleichgesinnten, um zu bedenken, wie man der   Herausforderung der neuen Zeit mit dem völligen Neubeginn auf allen Gebieten sei es im politischen,  kulturellen, sozialen oder weltanschaulichen Raum, begegnen und sich auch engagieren könne. Sicherlich eine außergewöhnliche Situation für diese Generation. Daß diese Zusammenkunft mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der Wahl  zum 1. Deutschen Bundestag zusammenfiel, war kein Zufall.

 

Es folgten regelmäßige Treffen, bei denen insbesondere anhand von Artikeln der Frankfurter  Hefte referiert,  diskutiert und gestritten wurde. Wesentliche Anregungen erhielt man damals von dem unvergessenen Prof.Burkhard, der dem politischen und kirchlichen  Geschehender Stadt wesentliche Impulse gab und Akzente setzte.

 

Schon bald war man sich einig, es sollte kein neuer Verein gegründet werden. Die Freiheit von der man träumte, wollte auch praktiziert werden. Keine Satzung, keinen Vorstand, keine Mitgliedschaft, keine Beiträge; vor allem aber sollte es keine Zwänge geben. Niemand war zur Teilnahme an den Treffen verpflichtet. Jedem war es freigestellt, zu kommen, Referate zu halten oder etwas zur Diskussion zu stellen.

Insbesondere wollte man aber unabhängig sein. Schon bald regten sich politische und kirchliche Kreise, die diese Diskussionsrunde vereinnahmen wollten. Die  einen sahen darin die Keimzelle einer Jungen Union oder sprachen von einem Geheimbund, der die Männer von Morgen hervorbringt. Die anderen, insbesondere die Pfarrämter, verfolgten die Gruppe mit Mißtrauen, da man darin für die kirchlichen Vereine eine Konkurrenz befürchtete, die dem Einfluß der einzelnen Gemeinden entzogen war.

 

Der Kreis der Interessierten erweiterte sich ständig. Andere verloren wieder das Interesse und blieben weg. Der harte Kern bestand in dieser Zeit aus ca 10-20 Personen.

Allen aber, die damals dabei waren, ist heute noch die dumpfe Luft der Martinsklause in lebhafter Erinnerung.

 

Einen Namen hatte die Gruppe nicht. Es wurde vom ,Kreis', vom ,Victor-Mohr-Kreis', von ,der Diskussionsrunde'  und schließlich auch vom ,Montagskreis' gesprochen. Erst nach Jahren einigten wir uns auf ‘Montagskreis' mit  seiner heutigen Abkürzung ,MOKRE'.

  

 

C.Entwicklung

Diesen Grundsätzen blieb der Kreis bis heute treu. Was sich im Laufe der Jahre daraus entwickelt hat, ist sicherlich wert, einige Gedanken und Feststellungen darüber zu äußern.

 

Ein Naturgesetz besagt: Von alleingeht nichts!

Darum als erste Feststellung: Aus dem Kreis  fand  sich immer wieder ein primus inter pares, der als Organisator und Sprecher fungierte. Und wohlgemerkt, das alles ehrenamtlich, neben Beruf und Familie.

Und weil diese Aufgabe mit viel Zeitaufwand, Arbeit, Mühe und manchmal auch Ärger verbunden ist. soll hier an dieser Stelle zuerst einmal all jenen gedankt werden, die sich hierfür zur Verfügung .gestellt haben.

 

Nach dem Weggang von Victor Mohr  waren es:  Werner  König, Hermann Leicht, Bernhard Heil, Bruno Schorpp, dann als Triumvirat Wolfgang KlInzing, Joseph Baur und Paul Dehez. Heute setzt sich vornehmlich Paul Dehez mit viel Umsicht und Fantasie für diesen Kreis ein.

Bei besonderen Aufgaben sind daneben immer Spezialisten ein­gesprungen. Z.B. Gerhard Künzig als  Heimatkundler, Reiseorganisator und -leiter. Letztlich hat aber jeder einzelne mit seinem Können und auf seine Art mitgewirkt.

 

Dies führt zur einer weiteren Feststellung: Es gab kein Treffen ohne entsprechendes Programm. Anfangs  kamen die Beiträge und Referate hauptsächlich aus den eigenen Reihen, aber bald merkte man, daß bei vielen Themen ein fundiertes Fachwissen weiterführt. Immer mehr kompetente Personen außerhalb des Kreises konnten gewonnen werden, ihr Wissen, ihre Meinungen und Erfahrungen darzulegen und darüber zu diskutieren.

 

Die fragmentarische Liste der Programme zeigt, daß es kaum ein Gebiet gibt, über das im Lauf der Jahre nicht referiert und diskutiert wurde. Politische Meinungen gleich welchen Couleurs waren ebenso gefragt wie wirtschaftliche, soziale, kulturelle, gesellschaftliche, medizinische oder religiöse Themen. In oft heißen Diskussionen hinterfragten wir die Probleme und Auffassungen ohne Rücksicht auf Tabus, aber stets fair und tolerant. Mancher Referent wurde mit heftiger Kritik konfrontiert, andere nahmen aber  auch brauchbare Anregungen mit. Wir gewannen den Eindruck, daß die Gäste gerne zu uns kamen. zwar ohne Honorar, dafür mit einem herzlichen Dankeschön und dem Wunsche bald wieder zu kommen.

 

Bei dieser Offenheit und Toleranz spielte die Konfession oder das Parteibuch keine Rolle mehr. Wer an diesen Gesprächen Interesse zeigte, war und ist stets willkommen.

 

Es gab keine Diskussionen aus purer Freude am Diskutieren. Wir wollten erfahren, wie den Herausforderungen dieser neuen Zeit mit ihren tief greifenden Veränderungen zu begegnen sei. Wir wollten als einfache Bürger darüber informiert werden und unser Denken, Verhalten und Handeln darauf einstellen. Und wir wollten wissen, wie dies alles mit einem christlichen Weltbild zu vereinen ist.

 

Immer mehr wurde für viele der Kreis zur ‘geistigen  Heimat' oder zu einer Art  Orientierungsebene Mit lebhaftem Meinungs- und Erfahrungsaustausch, wo mancher gute Rat oder eine wertvolle Hilfe zu finden war.

 

Ursprünglich ein Männerkreis, wurden wir immer wieder darauf hingewiesen, daß auch unsere Ehefrauen lebhaftes Interesse an diesen Themen hätten. Und so kam es - zuerst zwar zögernd -gelegentlich zu gemeinsamen Treffen (böse Zungen behaupteten, um den Saal zu füllen). Heute wissen wir, daß die Anwesenheit der Frauen eine wesentliche Bereicherung ist.

 

Bei dieser Beschäftigung mit Grundsatz- und Tagesthemen stellte sich sehr bald die Frage, ob es nicht  dringend erforderlich wäre, selbst aktiv ins Zeit- und Tagesgeschehen einzugreifen. Lebhafte Diskussionen gab es wegen des Beitritt zu einer politischen Partei. Nicht der ganze Kreis, aber einzelne sahen sich zu dieser Öffentlichkeitsarbeit verpflichtet. So sind u.a. etliche Gemeinderäte aus unseren Reihen hervorgegangen. Andere engagierten sich in sozialen, kulturellen oder wirtschaftlichen Bereichen.

 

In diesem  Zusammenhang kann auch die finanzielle und freundschaftliche Unterstützung von Pater  Guido Stuer erwähnt werden. Dieser Rückhalt war für ihn sicherlich eine große Hilfe bei seiner harten Missionsarbeit in Afrika, vielleicht war sie dadurch überhaupt erst möglich.

 

Auf der anderen Seite hatten wir nie die Absicht den Mokre ins öffentliche Rampenlicht zu stellen. Es gab kein gemein­sames öffentliches Auftreten, keine Werbung, also keine Publizität.

 

Sicherlich darf der Montagskreis aber nicht nur als trockener Debattierclub angesehen werden. Die Geselligkeit nahm schon von jeher einen großen Raum ein. Wir erinnern uns gerne an die vielen Faschingsabende, die Ausflüge ( mit und ohne Frauen) , die  Maiwanderungen,  Grillabende, Kegel- oder Kirwetreffen, die zu engen freundschaftlichen Bindungen führten und teilweise traditionellen Charakter annahmen.

 

Gerade in letzter Zelt drängte sich die Frage auf: Warum hat der Montagskreis keinen jungen  Nachwuchs? Interessieren sich unsere Kinder, die nachfolgende Generation, nicht für all die Probleme, Themen, Fragen und Auseinandersetzungen, mit denen wir uns herumschlagen? Wo liegen die Ursachen?

 

Ich meine, dies ist in der Struktur des Kreises begründet. Diese Gemeinschaft ist doch stark auf unsere Generation orientiert. Denkweise und Erfahrungen sind nun einmal anders geprägt, als bei der nachwachsenden Generation, die sicherlich anders geartete Probleme und Interessen hat, denen wir zwar nicht fremd gegenüberstehen, die aber von den jungen Menschen aus deren Sicht heraus behandelt werden sollen, ohne Bevormundung und ohne ‘überholte’  Ansichten. Trotz des lockeren Zusammenhalts sind wir nun mal zu einem Freundeskreis zusammengewachsen - und freundschaftliche Beziehungen zwischen den Generationen sind immer problemgeladen. Daß die Ursachen hier liegen, zeigt sich wohl daran, daß Gleichaltrige immer  wieder zu uns finden und sich bei uns auch wohl fühlen.

 

 

 

 

 

 

D Ausblick

Wenn das so  ist, dann müssen wir  uns nicht nur damit abfinden, daß der Kreis mit uns ‘altert', sondern wir müssen darin auch eine Aufgabe sehen und diese Aufgabe positiv in Angriff nehmen.

Seit Menschengedenken war noch keiner Generation eine derart hohe Lebenserwartung vergönnt. Heute möchte zwar jeder ein hohes Alter erreichen, aber alt werden will keiner. Und darin liegt das Problem, mit dem sich immer mehr politische und wissenschaftliche Gremien  auseinandersetzen: Wie bereiten wir uns rechtzeitig auf das  Älterwerden vor?

 

Hierzu nur einige Stichworte als Anregung:

Die Altersforschung hat gerade in den letzten Jahres eine Menge Untersuchungen angestellt. Wir sollten uns mit diesen Überlegungen einmal eingehend befassen und sie überdenken. Das Älterwerden setzt viele Probleme in ein neues Licht, nicht nur für uns persönlich, sondern auch für das gesellschaftliche Miteinander der Generationen.

 

Sollte etwa den Belangen der älteren Generation, die heute schon einen erheblichen Prozentsatz der Gesamtbevölkerung ausmacht, mehr Beachtung .gewidmet werden - oder müssen diese hinter die Zukunftsfragen der  jungen Generation zurücktreten?

 

Oder wie ist der ältere Mensch in der Gesellschaft einzuordnen? Zählen die Rentner zum noch geduldeten ‘alten Eisen' oder sind das die ‘Jubilados', denen es vergönnt sein soll, nach einem arbeitsreichen  Leben jetzt die Früchte ihrer Arbeit zu ernten?

 

Gibt es Möglichkeiten für  ein geistiges  und  körperliches Fithalten oder müssen wir uns mit dem allmählichen Zusammenbruch von Geist und Körper abfinden? Nach der Devise: Im Alter  schwinden die Sinne, nur der Eigensinn wächst!

 

Was jeden einzelnen irgendwann oder auch jetzt schon direkt betrifft, das ist die Gesundheitsvorsorge und  schließlich das Problem der Krankheitsbewältigung. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, daß  Krankheiten den Geist und die Psyche eines Menschen völlig verändern können. Finden wir uns damit ab oder zerbrechen wir an unserer  Misere? Sind wir uns auf der anderen Seite bewußt, daß die  Natur  nicht das Alter erhalten will, sondern die Art?

 

Schließlich kommt  die groß Frage der Einsamkeit der Zurückgebliebenen auf uns zu. Wie ist  diesem oft erschreckenden,deprimierenden und  hoffnungslosen   Alleingelassen werden zu begegnen, trotz aller Eigenarten des Einzelnen, ohne Verletzung der Privatsphäre, in einer ungezwungenen freien Umgebung?

Wie man sieht: Es liegen noch Aufgaben vor uns! Beherzigen wir den Spruch Ciceros: Nie anfangen aufzuhören, nie aufhören anzufangen! Packen wir’s an!

 

 

 

2013 wurde 65 Jahre Montagskreis im Ratskeller gefeiert

 

 

 

 

 

 Im Novemver 2019

 

Liebe Freunde des Montagskreises

 

 

Siebzig Jahre Montagskreis sind eine stolze Zahl für einen Kreis, der in den schwierigsten Zeiten, aus der Not und mit  bangen Zukunftsaussichten, entstanden ist.
Dr. Victor Mohr scharte, geprägt durch die bitteren  Erlebnisse, die verbliebenen Freunde um sich und suchte mit ihnen eine neue Orientierung.

 

Dieser Kreis hat uns über all diese Jahre begleitet, inspiriert, Freundschaften wachsen lassen und uns bei Referaten und lebhaften Diskussionen viele zukunftsfähige Einstellungen und Einsichten mitgegeben.

 

Es war kein Verein mit festen Satzungen und Bindungen, sondern ein Kreis, der sich in der damals ersehnten Freiheit, nach den bedrückenden Zwängen des Naziregimes,  locker zusammengefunden hat und im Laufe der Jahre zusammengewachsen ist.

 

Offensichtlich hat sich diese Art von Gemeinschaft für unsere Generation und in dieser Nachkriegszeit bewährt. Für Jüngere war dies dann nicht mehr nachvollziehbar. So musste diese Vereinigung langsam aber sicher „aussterben“. Wir sind miteinander alt geworden. Viele sind leider schon gegangen.

 

Deshalb bleibt es nicht aus, dass irgendwann ein nicht mehr zu umgehender Schlussstrich gezogen werden muss.


Wir wollen diesen „Abschied“ am

Montag, 9.Dezember um 17.30 Uhr im Ketterers Braustüble

          mit der

Überreichung unserer Spende an das

Hospiz Pforzheim e.V.

         würdig begehen.

Frau Dr. Marianne Engeser wird unsere Spende

gegen 18.00 Uhr (aus Termingründen)

in einer kurzen Feier entgegennehmen.

 

Pünktliches Kommen wäre daher wünschenswert.   

 

         Mit einem gemütlichen Beisammensein bei Speis und Trank soll dann
          das Jahr abgeschlossen werden.